Grauzonen
in Texten und Märchen
Es soll eine nicht abschätzbare Anzahl von Märchen geben, die entweder handgeschrieben oder mit der Schreibmaschine verfasst, oder in Computern versteckt sind. Warum ist das so, lautet die Frage?
Entweder sind die Autorinnen oder Autoren mit ihrem Geschriebenen nicht zufrieden und warten darauf, bis sie die Muse küsst und sie ihre Elaborate der Öffentlichkeit preisgeben können. Oder es sind Verlage beziehungsweise deren Lektoren, die bedächtig den Kopf wiegen und doch von einer Veröffentlichung abraten.
Das ist die eine Seite.
Aber da gibt es noch etwas anderes. Märchen waren wegen ihrer „Grausamkeiten“ im Verruf und es soll sogar Auffassungen gegeben haben, welche in „diesen“ und „jenen“ Märchen eine Begründung für die kriegerischen Auseinandersetzungen des zweiten Weltkrieges gesehen haben! Da gibt es in „Märchenwelten“ viele Hinweise, die es zu beachten gilt, denn viele Märchen stehen unter „Verdacht“. Wir nehmen dazu eine Liste zur Hand:
„Der Märchenatlas: Ein sagenhafter Flug über Zauberwelten, von Claudia Bordin
Personen
• Aladdin
• Ali Baba
• Arielle, die Titelheldin einer Serie von Zeichentrickfilmen der Walt Disney Company, basierend auf dem Märchen Die kleine Seejungfrau von Hans Christian Andersen
• Allerleirauh, auch Eselshaut, Donkeyskin, Catskin, Mäusehaut …
• Aschenputtel, auch Cinderella, Cenfrillon, Aschenbrödel …
• Baba Jaga, die Hexe im russischen Märchen
• Cinderella (Aschenputtel, Cendrillon)
• Däumling (Daumengroß, Däumelinchen), ein von Geburt benachteiligtes Kind, entweder besonders klein oder einfach das jüngste unter vielen Geschwistern
• Dornröschen, die schlafende Schöne im Wald — muss von einem Prinzen aufgeweckt werden
• Dschinni: Flaschengeist in orientalischen Märchen, zum Beispiel in der Geschichte vom Fischer und dem Dschinni
• Frau Holle
• Goldmarie, das fleißige Mädchen aus Frau Holle
• Pechmarie, das faule Mädchen aus Frau Holle
• Rapunzel
• Ricdin-Ricdon, der französische Bruder von Rumpelstilzchen
• Rotkäppchen, kleines, süßes Mädchen, das sich bösen Wolf vom rechten Weg abbringen lässt. In vielen Sprachen bekannt, u.a. Le petit chaperon rouge (Perrault) und Little Red Riding Hood
• Rumpelstilzchen, der zauberkundige Giftzwerg als böser Gegenspieler
• Schneewittchen, weiß wie Milch, rot wie Blut… — weit verbreitete Märchenfigur, bekannt u,a. als Little Snow Drop, Snow White, Blanche-neige
• Undine: im Wasser lebender weiblicher Elementargeist; besonders bekannt in der Umsetzung von Friedrich de la Motte Fouqué
• Wassilissa, die Schöne“
Da hat wohl nicht umsonst Bettelheim mit seinem Beitrag: „Kinder brauchen Märchen“ viel Schutt von der Straße geräumt.
Das war die zweite Seite.
Heutzutage erleben wir einen Märchenboom, weil in diesem Genre vor allem jüngere Schreiber sich nicht wenige auszukennen meinen und deswegen „drauflosschreiben“. Dabei liegt es in der Zeit der Krise und des Umbruchs, dass man möglichst „realistisch“ schreibt und es den kleinen und großen Leserinnen und Lesern zumutet, mit derartigen Zweideutigkeiten und Grausamkeiten zurecht zu kommen.
Das ist die dritte Seite.
Wir zeigen ein Beispiel aus den „fairy tales“, den sogenannten „forgotten books“.
Das scheint eine reale Welt zu sein, die man vorgaukelt. Muss man deswegen das Buch vergessen und das Wissen von seinem Inhalt nur wenigen Eingeweihten überlassen? Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden, so heißt schon immer! Das gleiche gilt auch für das Geschriebene!
Wir machen einen Umweg, der nun notwendig scheint,
das ist die vierte Seite.
Karla und Bernd beschäftigen sich mit Hermann Hesse und schreiben unter seinem Namen ein neues Buch.[i] Wir zitieren aus diesem Buch die entsprechenden Stellen, wie es zu diesem „Projekt“ kam.
„Also, genaugenommen schreibst du einen Roman über Narziß. Wenn er fertig ist, gehen wir zum Suhrkamp Verlag und sagen, wir hätten ein verschollenes Manuskript von Hermann Hesse gefunden und bieten es dem Verlag zur Veröffentlichung an.“(55) „Höre doch, Bernd“, flehte sie, „Hermann Hesse ermutigt selbst dazu, sich sein Werk anzueignen. Er sagt doch selbst, ob sich das Verstehen eines Lesers mit dem deckt, was er selbst als Absicht seiner Arbeit empfindet, das halte er für ganz belanglos.“ (59) „Also gut … Wie sagt es Hesse: Der Vogel kämpft sich aus dem Ei. Morgen fangen wir mit Narziß an. Ich mach`s.“ (67)
Es braucht also den fragenden Märchenleser!
Sammlungen
Das ist die fünfte Seite.
Die etwas fraglichen Märchen und Erzählungen erschienen und erscheinen fast alle in Sammlungen über jene Märchen, die entweder erfunden oder teilweise abgeschrieben sind. Sie berufen sich hauptsächlich auf Literatur des ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Nin zu einigen Beispielen:
a) Alexander von Ungern – Sternberg: Braune Märchen. Erstdruck Bremen 1850; 4. Auflage Berliner Ausgabe 2019
Es handelt sich um erotische Geschichten, welche der Maler und Schriftsteller Ungern – Sternberg gesammelt hatte und die ihm in der Öffentlichkeit ziemlich übelgenommen wurde.
b) Rot wie Blut, Grausige Märchen und Sagen, herausgegeben von Julian Auringer, mit Illustrationen aus den Bilderbogen des 19. Jahrhunderts, Anaconda Verlag 2022.
Der Titel sagt schon alles.
c) Paul Biegel: Eine Nachtlegende, mit Illustrationen von Charlotte Demantons, Verlag Urachhaus, 3. Auflage 2020; niederländische Originalausgabe Haarlem 1992.
Eine durchlaufende romanhafte Erzählung.
d) C. Brück: 13 dunkle Märchen, Bad Rodach 2021
„…schaurig, blutig, ja bitterböse…“ steht auf dem Einband zu lesen.
[i] Maren Bohm: Hermann Hesses wundersame Geschichte, Verlag Karl Alber München 2022
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