Meine Großmutter Luise
Vorwort:
Eine ehemalige Kollegin der Pädagogischen Akademie des Bundes, Professor Dr. Marianne Wilhelm, hat auf fb einen berührenden Beitrag aus ihrer Schulpraxis veröffentlicht:
„Was ist eine Großmutter?
(aus dem Aufsatz eines 8 - jährigen)
Eine Großmutter ist eine Frau, die keine
eigenen Kinder hat, darum liebt sie die Buben
und Mädchen anderer Leute. Großmütter
haben nichts zu tun, sie müssen nur da sein.
Wenn sie uns auf einen Spaziergang
mitnehmen, gehen sie langsam an schönen
Blättern und Raupen vorbei. Sie sagen nie
vorwärts, beeile dich, komm endlich.
Gewöhnlich sind sie dick, aber um uns die
Schuhe zu binden doch nicht zu dick. Sie tragen
Brillen und zuweilen können sie sogar die Zähne
herausnehmen. Sie können alle Fragen
beantworten, wie zum Bespiel: Warum hassen
Hunde Katzen? Oder Warum ist der liebe Gott
nicht verheiratet? Wenn sie uns vorlesen,
überspringen sie nichts und haben auch
nichts dagegen, wenn es immer die gleiche
Geschichte ist.
Jedermann sollte versuchen, eine Großmutter
zu haben, besonders solche, die keinen
Fernseher haben.
Die Großmütter sind die einzigen Erwachsenen,
die immer Zeit haben.“
Das hat alte Erinnerungen an meine eigene Großmutter wachgerufen, die ich im Folgenden schildere:
Meine Großmutter Luise
In mehr oder weniger Schlagzeilen
Sie wurde am 21.5.1879 auf einem Bauernhof in der Schwäbischen Alb aus dem Geschlecht der H… geboren, sie war eines von 7 Geschwistern, sie war Witwe mit dem Ende des 1. Weltkrieges, als die Kinder noch klein waren, sie starb 1975 mit 96 Jahren in einem Pflegheim in Wiesbaden; ihr Onkel hatte 8 Kinder (24.3. 1836 – 24.12.1888) er starb mit 52 Jahren; eine Schwester meiner Großmutter blieb im Ort und hatte ebenfalls 7 Kinder; ein Bruder der Großmutter war Michael, er hatte 10 Kinder: in der Gegend hatte die Familie wohl einiges zu sagen, ein Bruder oder Onkel war wohl auch Bürgermeister im Ort.
Meine Großmutter Luise kam nach der Schule in den Dienst als Magd in ein evangelisches Pfarrhaus. Der Pfarrer war wohl ein besonderer Heiliger, nebenbei ein Esoteriker, der abends die Hausgemeinde versammelte und Gespenstergeschichten (die sich meine Großmutter bis in ihr hohes Alter gemerkt hat und Enkeln und Urenkeln weitererzählt hat, denn um diese hat sie sich bis in ihr hohes Alter gekümmert). Die Großmutter hat dann geheiratet und 3 Kinder bekommen:
(Mina geboren 2000), die immer etwas depressiv war und später den Tod ihres Mannes im 1. Weltkrieg nicht verkraftet hat und wieder zu ihrer Mutter mit ihren Kindern zurückkehrte und ihr hochbetagt in einem Stuttgarter Pflegeheim starb.)
(Karl geboren 2001), der später Hobbymaler und Vertreter wurde und durch seinen Schwiegersohn in die pietistische Gemeinde aufgenommen wurde und dort aktiv und missionarisch tätig wurde. In seiner Freizeit war er Zettelverteiler für die Nazis und musste dafür nach dem Krieg kurz ins Gefängnis.)
(Johannes Robert, geboren 1903), der nach dem 1. Weltkrieg eine Schlosserlehre in Mannheim antreten musste – denn 1918 mussten alle Kinder für sich selbst sorgen und einen Beruf – welchen auch immer- erlernen – mitten im dem 2. Weltkrieg übersiedelte er nach Wiesbaden – weil er öffentlich gemeint hatte: „Der Hitler ist zu nichts zu gebrauchen, der kann nicht einmal einen Bauernhof verwalten.“ Er fand dann eine Beschäftigung als Beamter im hessischen Innenministerium und in seiner Freizeit sowie Dienstzeit malte er und kümmerte sich um die Wiesbadener Lokalpolitik.)
Meine Großmutter ließ sich bis in ihr hohes Alter nie unterkriegen und durchlief unterschiedliche Stationen.
Erste Station
Sie musste nach dem 1. Weltkrieg nach einem Verdienst suchen und deshalb ging sie nach Mannheim, weil dort mehrere kleine Industrien waren, wo sie Arbeit, damit mit einem bescheidenen Verdienst ihr Auslangen finden konnte. Nachdem ihre Tochter Mina mit ihren beiden Kindern Irmgard und Elisabeth bei ihr auftauchten und bei ihr Unterschlupf suchten, war gute Rat teuer und sie ging nach Stuttgart. Dort überlebten sie den 2. Weltkrieg; es gibt da die Episode, dass die Besatzungssoldaten hinter der hübschen Irmgard her waren und sie am Abend aus ihrer Wohnung flüchtete, aber da fiel ein Schuss! Eine Kugel streifte ihr Haar, sonst blieb sie unverletzt – meine Großmutter war wie versteinert und erholte sich erst wieder, als Irmgard am nächsten Morgen wieder in ihre Wohnung zurückkehrte und die Verfolgungen durch die Soldaten unterblieben.
Zweite Station
Irmgard fand eine Anstellung bei einem Bauunternehmer in Stuttgart und so fanden sie alle eine neue Wohnung in Stuttgart- Feuerbach. Der Unternehmer, der dann viel später Irmgard heiratete, hatte ein Haus in
Dritte Station
Fornsbach am Waldsee, in dem seine Arbeiter unterkamen. Dorthin brachten sie meine Großmutter zur Versorgung des Hauses, die Tochter Mina und deren Tochter Elisabeth kamen mit. Da gab es genug Arbeit, aber es war eine schöne Gegend und wenn keine Arbeiter da waren, wurde das Haus für Bedienstete des Unternehmens als Sommerfrische benutzt. Elisabeth freilich war ein etwas unruhiger Geist und wurde dann zur Arbeit in die Schweiz an den Vierwaldstättersee vermittelt, wo sie dann bald einen Kranführer heiratete und die bald danach erstgeborene Tochter Regula wurde im Alter von 4 Jahren der Großmutter überantwortet, weil weitere Kinder da waren.
Vierte Station
In Altensteig- Dorf war dann der nächste Aufenthalt meiner Großmutter Luise, im ersten Stock eines einstöckigen Hauses. Die Wohnung war groß genug für die Oma und Regula und weitere Enkel, die dort ihre Ferien verbringen konnten.
Fünfte (halbe) Station
War bei ihrem Sohn in Wiesbaden, wo sie zeitweise eingeladen war. Der Schwiegersohn des Hauses Kurt (beschäftigt bei Dyckerhoff Zement als leitender Ingenieur in Mainz-Amöneburg) hatte in Rauenthal, etwas außerhalb von Wiesbaden im Rheingau einen Garten. Legendär ist dort die Zubereitung von Tauben für ein Mittagessen geblieben.
Das und vieles mehr war meine Großmutter Luise
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