Der Dorfschulmeister
Der Dorfschulmeister kann nicht mehr so richtig schlafen. Außerdem ist er neugierig und möchte wissen, wie es heute in der Schule aussieht. Deshalb quält er sich aus den Seiten seines Buches heraus (Leben des vergnügten Schulmeisterlein Maria Wutz in Auenthal) ist eine Erzählung von Jean Paul, die, 1790 geschrieben, im Januar 1793 erschienen ist) und steht auf einmal vor einem Schulhaus im 15. Wiener Gemeindebezirk. Der Schulmeister staunt: „Das ist eine Schule? Was ist denn das für eine Welt, in der man Kindern schon solche Paläste baut?“ Er geht in die Schule hinein, ein breiter Stiegenaufgang, an dessen Ende ein junger Mann steht, der mit einem großen Besen den Boden reinigt. „Wo wollen Sie hin? Die Direktion ist im ersten Stock.“ Unser Schulmeister steigt hinauf und sieht an den Wänden Zeichnungen, die offenbar von Kindern stammen. „In meiner Zeit hätte man so etwas nicht aufgehängt.“ Er weiß auch nicht recht, was er mit dem Wort „Direktion“ anfangen soll, in dem bezeichneten Zimmer sitzt zu seinem großen Erstaunen eine Frau, daneben eine andere, die mit lackierten Fingernägeln auf einem Gerät herumhackt, auf dem so etwas wie ein Spiegel angebracht ist. Eine laute Glocke ertönt, die Zimmer tun sich auf und auf einmal sind viele Kinder aus aller Herren Länder auf dem breiten Flur versammelt. Die Lehrer, egal ob männlich oder weiblich, tragen eine Art Uniform: dunkle, sportliche Hosen. Auch die Schüler tragen solche Hosen. Er ist entsetzt und verlässt fluchtartig dieses Haus, das eine Schule sein soll.
Er lässt sich treiben und beobachtet mit offenem Mund, was ihm da als neue Pädagogik aufgetischt wird.
Nicht nur, dass Frauen und Männer in der gleichen Schule unterrichten, nicht nur, dass die Frauen besonders gut duften, sie sitzen auch noch in einem großen Raum zusammen und scheinen über den Unterricht zu sprechen, so viele hatte er noch, gewisser Maßen aus dem Augenwinkel, mitbekommen. Es ist also gar nicht klar, was die in der Schule zu tun haben!
Entsetzt sieht er auf der Klasse Kinder, die offenbar zu spät in die Schule kommen, bei einem Bäcker etwas zum Essen kaufen – deren Eltern müssen aber reich sein, denkt er. In der Nähe entdeckt er noch ein Kirche, aber die Katecheten und Priester sind wohl alle unterwegs, jedenfalls sieht er keine.
Dafür sind genügend Menschen unterwegs, die offenbar alle etwas zu tun haben, denn sie schieben sich vorwärts und stoßen sich, ohne sich dafür zu entschuldigen. Sie überqueren auch an bestimmten Stellen die breiten Straßen, wenn ihnen Lichter das anzeigen.
Unser Schulmeister muss sich auf eine Bank setzen: „Kein Vergleich mit Auenthal“, denkt er sich, aber die Kinder müssen doch das ABC und Rechnen lernen und man muss ihnen beibringen, wie man sich benimmt!
Ihm fallen noch viele weitere große Gebäude auf, deren Aufgabe er sich nicht erklären kann, auf manchen steht „Versicherung“ oder „Finanzamt“ oder „Magistratisches Bezirksamt“ – ob das alles mit rechten Dingen zugeht?
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